Ich habe entgegen vieler Ratschläge im Web keine Notreserve. Der Blogger der mich auf die Idee dazu gebracht hat ist EarlyRetirementNow. Dazu habe ich schon Artikel verfasst. Dieser hat viel Aufmerksamkeit bekommen. Diese Strategie mag Riskant sein. Allerdings bin ich überzeugt davon, dass sich das Risiko in Grenzen hält. Hier drei Gründe, warum meine Notreserve 0,- € beträgt:
🌀 Geld ist immer im Umlauf
Ich habe eine Mix aus zwei Girokonten und investiere gemäß dem Mott „Pay Yourself First“ ein Teil meines Gehalts direkt nach Geldeingang an der Börse. Dabei investiere ich in letzter Zeit bevorzugt in den FTSE All World ETF. Hätte ich einen Notfall, so dass ich kurzfristig Geld benötige, könnte ich einfach auf den Sparplan verzichten. Ich könnte stattdessen das Geld, anstelle es an der Börse zu investieren, nutzen um meine unvorhergesehen Ausgabe zu bedienen.
💰 Dispo kann zur Not auch herhalten
Ich habe ein Girokonto bei N26 und Comdirect*. Außerdem habe ich die Barclays New Visa, mit der ich eine Zahlungsfrist von bis zu 59 Tagen habe. Außerdem habe ich ein Depot bei Comdirect* und Flatex*.
Bei den Girokonten kann ich den Dispo nutzen, um kurzfristige Ausgaben zu tätigen. Zwar muss man hier meist relativ hohe Zinsen Zahlen, allerdings sollte das nur für einen sehr kurzen Zeitraum sein. Der nächste Gehaltseingang lässt sicher nicht lange auf sich warten, mit dem sich der Dispo begleichen lässt.
Die Kreditkarte von Barclaycard rechnet einmal pro Monat ab. Danach wird das Geld nochmals einen Monat später vom Konto per Lastschrift abgebucht. Dadurch ergibt sich eine Zahlungsfrist von bis zu 59 Tagen. Im Notfall könnte ich also auch diesen Kreditrahmen nutzen, um meine Ausgaben zu begleichen. Zu beachten ist, dass für die Nutzung des Kreditrahmens auch mit der Kreditkarte bezahlt werden muss. Außerdem sind die Kosten der Kreditkarte beim überziehen relativ teuer. Bleibe ich dagegen innerhalb der Zahlungsfristen, muss ich keine Zinsen oder Gebühren bezahlen.
Meine Depots bieten mir die Möglichkeit, mein Depot zu beleihen. Flatex und Comdirect verlangen dafür einen moderaten Zinssatz. Im Notfall könnte ich als einfach mein Depot beleihen, um kurzfristige unerwartete hohe Ausgaben zu stemmen.
Hier eine Übersicht der Konten, Kreditkarten und Depots, die mir anstelle eines Notgroschens zur Verfügung stehen:
- Girokonto: Comdirect
*
- Girokonto: N26
- Depot: Flatex*
- Depot: Comdirect
*
- Kreditkarte: Barclays New Visa (Inzwischen scheint es diese Karte nicht mehr zu geben, sondern nur noch die Barclaycard Visa
*. Diese hat auch keine Jahresgebühr. Aktuell gibt es sogar 50€ Startguthaben
* kostenlos dazu.)
🔝 Opportunitätskosten sind gestiegen
In den letzten Jahrzehnten war es relativ einfach, eine sehr soliden Zinssatz für sichere Spareinlagen zu tätigen. Einen Notgroschen konnte man also relativ einfach auf die Bank legen und dafür satte Zinsen trotz täglicher Verfügbarkeit erhalten. Die Niedrigzinsphase der letzten Jahre hat dies aber verändert. Für Tagesgeld gibt es aktuell immer weniger Zinsen. Mein Anbieter MoneYou hat erst doch tatsächlich die Zinsen von 0,02 Prozent pro Jahr auf 0,00 Prozent pro Jahr gesenkt. Man muss wohl froh sein, inzwischen überhaupt noch einen Zinssatz von 0,00 Prozent zu erhalten und keine negativen Einlagezinsen belchen zu müssen.
Wenn man eine Notreserve hat muss man sich also damit begnügen, diese komplett unverzinst auf dem Tagesgeld liegen zu lassen. Nach Abzug der Inflation ist die Realrendite also negativ. Somit lässt sich festhalten, dass aufgrund der gesunkenen Zinsen die Opportunitätskosten, also die Kosten sein Geld nicht verzinst anzulegen sondern einfach bei 0,00 Prozent auf dem Tagesgeldkonto liegen zu lassen, gestiegen sind. Da ist es mit doch lieber im Fall der Fälle meinen Dispo zu nutzen und für einen bestimmten Zeitraum hohe Soll Zinssätze zu bezahlen, anstatt eine mögliche Notreserve zu haben, die monatlich eine negativen Realzins abwirft.
💸 Fazit
Ich habe schon seit längerem keine Notreserve. Zwar sammelt sich immer mal wieder Geld durch noch nicht reinvestierte Kapitalerträge oä. an, einen speziellen Betrag den ich für Notfälle auf die Seite lege habe ich aber nicht. Mir sind dazu die Opportunitätskosten einfach zu hoch und im Fall der Fälle hilft mir mein Dispo weiter.
Sollte ich wirklich ernsthaft viel Geld benötigen (bspw. dauerhafter Jobverlust) reicht wohl eine Notreserve von drei Monatsgehältern auch nicht mehr weiter und ich müsste Teile meiner Aktien und ETFs verkaufen, um an Geld zu kommen.
Bin ebenfalls bei der comdirect und habe anfangs ähnlich gedacht: Warum zwei Monatsgehälter aufm Konto parken, wenn man über Kreditkarten und Depotbeleihung das Geld im Notfall auch kurzfristig zu knapp 4% bekommen kann und sich dann nach und nach um die Abzahlung kümmert.
Ich habe mich nach einiger Zeit nicht mehr wohl damit gefühlt: Das hat sich darin geäußert, dass ich häufiger aufs Konto geschaut hab, ob Gehaltseingang und größere Ausgaben dann doch rechtzeitig eingetroffen sind. Der Notgroschen soll ja außerdem alles ungeplante Auffangen: Das kann die berühmte Waschmaschine sein und sonstige kleine Ausgaben, die sich dann aber zufällig häufen, aber auch Jobverlust oder Krankheit/ Unfall spielen in eine solche Überlegung mit rein.
In die gleiche Kerbe schlägt auch das Kaufen von Aktien auf Kredit, frei nach dem Motto: Den Kredit konnt ich für 2% aufnehmen, die Aktien/ ETF bringt mir nach Steuern 4%.
Ich persönlich habe 6 Monatsausgaben verteilt auf Girokonten und Depotverrechnungskonten liegen und fühle mich damit wohl. Gebrochen habe ich hiermit Ende März, als ich den Notgroschen zum Nachkauf halbiert habe. Die Gier war dann doch größer als die Prinzipien. Mittlerweile ist der Notgroschen aber auch wieder aufgefüllt.
Hmm, allein schon, weil ich mich sonst ständig damit beschäftigen muss, wann genau was auf mein Konto geht und wann was abgebucht wird, habe ich einen Mini-Notgroschen, der mindestens einmal die Monatsausgaben abdeckt. Eigentlich sogar zweimal.
Was ich damit meine: Ich habe ein eigenes Konto mit Gehaltseingang und von dem wird der Großteil des Geldes am Monatsanfang verteilt: Der überwiegende Teil geht auf ein Gemeinschaftskonto mit meinem Mann, von dem ein Großteil der gemeinsamen Kosten abgeht (Miete, Versicherungen, und von hieraus wird auch ein Gemeinschaftsdepot befüllt). Und vom Rest geht der Großteil in ein eigenes Depot.
Aber: Zwischen dem Eingang auf Konto 1 und dem Abgang der größten Kosten auf dem Gemeinschaftskonto („Konto2) liegen zwischen 0 und 2 Tagen und in der Zeit muss das Geld auch noch rübergeschafft werden (was bei so genauem Timing mit Dauerauftrag schon schwer wird). Wenn ich weniger als 1x Ausgaben an Puffer dahätte, wäre fast jeden Monat entweder Konto1 oder Konto2 kurz im Minus und das absolut unnötig. Das ist unser mit Abstand größter Ausgabenblock und effektiv ist es der erste der nach Gehaltseingang abgeht. Ich kann jetzt sagen „ja dann rechne ich den Kostenblock noch zu den Vormonatsausgaben und das muss halt da sein“, aber effektiv heißt das, dass ich ohnehin einmal Monatsausgaben dauerhaft vorhalte. Wenn Not am Mann ist, dann kann das auch ausgegeben werden und wir schauen halt, dass mehr von dem Gehalt (was eben eigentlich nen paar Tage vor dem Abgang kommt) rüber überwiesen wird.
Damit wir uns um sowas keinen Kopf machen müssen, haben wir auf dem Gemeinschaftskonto eigentlich eh immer nen Puffer von mindestens 1x Monatsausgaben. Und dann hab ich für mich selbst beschlossen, dass ich auch besser schlafe, wenn auch bei mir auf dem Konto noch 1x Gehalt in Reserve da ist und mein Mann handhabt das ähnlich. Effektiv kommen wir damit schon auf circa 4 Monatsausgaben an Cash der uninvestiert rumliegt. Der liegt nur eben nicht auf nem eigenen Konto mit Namen „Notgroschen“, aber eigentlich ist er nicht wirklich was anderes.
Kann natürlich sein, dass andere das einfach zusätzlich zu ihrem Notgroschen machen. Keine Ahnung 🙂 Dann hab ich auch das Gefühl, „ne, brauch ich nicht“. Insgesamt fühle ich mich aber wohler, wenn ich nicht zu 100%ig jeden Monat tracken und timen muss, was wo abgeht und das hat eben bei uns schon zwangsläufig dazu geführt, dass wir nen gewissen Notgroschen haben.
Naja, wenn du etwas älter bist und ein selbstständiges Leben (Haushalt & Auto) führst solltest du einen Notgroschen haben. Immer dann wenn die Waschmaschine oder der Geschirrspüler kaputt wird, braucht dein Auto eine Reparatur. Blöd wenn dir dann noch einen Zahn ausbricht und deine Aktienkurse gerade bei -50% im Crash stehen.
Viel Erfolg und Grüße
Bergfahrten
Hallo,
ich habe mir schon gedacht, dass dieser Beitrag auch viel Kritik stoßen wird. Ja so lange ich noch jung bin sehe ich das vielleicht eher locker. Aktuell bin ich auf jeden Fall noch davon überzeugt, dass ich auch ohne Notreserve gut zurecht komme. Schauen wir mal was die Zukunft so bringen wird.
Grüße,
Jan
„ Blöd wenn dir dann noch einen Zahn ausbricht und deine Aktienkurse gerade bei -50% im Crash stehen.“
Ein durchaus valider Punkt – Bergfahrten. Man darf jedoch nicht vergessen (und das schreibe ich als Befürworter des Notgroschen), dass mit der steigenden Verweildauer im Markt das Risiko sinkt, bei Markteinbrüchen mit Verlust zu verkaufen (falls man wegen einer Waschmaschine verkaufen müsste).
Angenommen man investiert regelmäßig in einen World ETF und es kommt nach z.B. 10 Jahren zu einem Crash (-50%). Dann werden meine Anteile die ich in der ersten Phase erworben habe wahrscheinlich noch im Plus sein. Da first in first out gilt wird man beim Verkauf wahrscheinlich trotz Crash immer noch steuern zahlen müssen.
Sehe ich das richtig oder begehe ich einen Denkfehler?
Grüße,
Anton
Hallo Anton,
wenn ich, wie du schreibst bereits 10 Jahre investiert habe dann kann ich mir 3-6 Monatskosten oder Monatsgehälter im Notgroschen leisten. Wenn nicht, dann habe ich beim Start etwas falsch gemacht.
In meinem Beitrag habe ich Krankheiten, Unfälle oder Jobverlust nicht angeführt. Die staatliche Hilfe ist vielleicht ok aber rein persönlich fühle ich mich mit ein paar tausend EUR wohler.
Viele Grüße
Bergfahrten
Hallo Burgfahrten,
ich bin nicht sicher, ob wir nicht aneinander vorbeischreiben. In Deinem ersten Post wurden Sachen, wie neue Waschmaschine, eine Autoreparatur oder Zahnersatz angesprochen. Nun geht es um einen Jobverlust, Unfälle oder Krankheiten. Dies kann auf eine andere Art abgefangen werden (s. z.B. Versicherungen) -> ich möchte dies hier nur erwähnen und keine Diskussion über Versicherungen führen.
Ich habe aus Deiner ursprünglichen Aussage entnommen, dass es ein Thema wäre, zu Crashzeiten (z.B. -50% drawdown) verkaufen zu müssen. Ich wollte mich nur darauf beziehen und aufführen, dass man bei einem langen Investment auch zu Crashzeiten nicht unbedingt mit Verlust verkauft (aber natürlich nimmt man weniger ein als zu Hausse Zeiten).
„ wenn ich, wie du schreibst bereits 10 Jahre investiert habe dann kann ich mir 3-6 Monatskosten oder Monatsgehälter im Notgroschen leisten. Wenn nicht, dann habe ich beim Start etwas falsch gemacht.“
Hier geht es nicht unbedingt ums Leisten, sondern darum, wo sehe ich mein Geld langfristig besser aufgehoben und eine eigene Risikobewertung.
Ich habe wie gesagt einen Notgroschen, weil ich so als Vater und Alleinverdiener besser schlafe.
Viele Grüße,
Anton